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Mit der Anpassung des gesetzlichen Mindestalters für den Erwerb, Konsum und Besitz von Tabakwaren auf 18 Jahre reagiert die Gesetzgebung auf eine bedenkliche „Spitzenposition“: In
keinem Land Europas rauchen mehr Jugendliche unter 15 Jahren. Die Gesetzesänderung soll von einem umfassenden, von der ARGE Suchtvorbeugung empfohlen Paket an Präventions-
und Entwöhnungsmaßnahmen begleitet werden: Jugendliche sollen über angepasste Hotlines und eine App Unterstützung beim Rauchstopp erhalten, digitale, interaktive und
niederschwellige Kommunikation sollen die Norm des Nichtrauchens unter Jugendlichen stärken, zudem empfiehlt die ARGE ein bundesweit einheitliches Vorgehen bei
Gesetzesverstößen.
Die vorliegende Arbeit analysiert die vorgeschlagenen Maßnahmen aus verhaltensökonomischer Perspektive, unterstützt die Forderung nach einem möglichst einheitlichen Sanktionsmodell und schlägt Ansätze zur Implementierung und systematischen Evaluierung eingeführter Maßnahmen vor. Die Analyse des Rauchverhaltens auf Basis internationaler Studien in einem Framework, das Verhalten auf die wesentlichen Treiber Bereitschaft und Bewusstsein zurückführt, zeigt dabei: Weniger das Wissen über die grundlegende Schädlichkeit des Rauchens ist das Problem (Bewusstsein), als die über verschiedene verhaltenspsychologische Biases beeinflusste Bereitschaft, dieses Wissen in die Tat umzusetzen: RaucherInnen werten zukünftigen Nutzen von Nichtrauchen tendenziell stärker ab als NichtraucherInnen, haben einen ausgeprägteren Glauben, von negativen Ereignissen nicht betroffen zu sein und stehen unter großem Einfluss von Gewohnheiten und sozialen Kontextfaktoren. Die vorgeschlagenen Maßnahmen zielen hingegen weitgehend auf Kommunikation und Bewusstseinsbildung ab, können dadurch an Wirksamkeit einbüßen. Sie haben jedoch Potenzial, durch eine verhaltensökonomische Optimierung in der Ausgestaltung auch psychologische oder soziale Anreize der Bereitschaft zu adressieren. Dies gilt insbesondere für die Rauchfrei-App, die gleichsam hohen Adaptionsspielraum und ein ideales Test-Umfeld für die Evaluierung mittels Randomized Controlled Trials (RCT) bietet.
Bezüglich des Umgangs mit Verstößen ist die Forderung nach einem gemeinsamen Vorgehen der Länder aus verhaltensökonomischer Perspektive zu unterstützen. Der konkrete Vorschlag knüpft dabei an die bestehende Gesetzgebung der Länder sowie den Vorschlag eines – an die Entwicklungsstufe der Pubertät – angepassten Stufenmodells an. Ein Informations- bzw. Beratungsgespräch kann insbesondere dann Wirkung entfalten, wenn es in unmittelbarem zeitlichen Kontext des Vergehens steht und Komplementarität zu den Präventionsmaßnahmen bietet. Folgevergehen werden bislang vor allem durch die Auferlegung gemeinnütziger Arbeit und Geldbußen geahndet. Hier ist im Falle der Arbeitsleistung ratsam, eine stärkere, inhaltliche Verbindung zum Vergehen herzustellen. Geldbußen bieten indes das Potenzial, Erkenntnisse verhaltensökonomischer Forschung zum Commitment zu berücksichtigen und in optionalen